Wie beginnt man eigentlich einen Fantasyroman? Nun, im Gegensatz zu Geschichten, die in der realen Welt stattfinden, deren Eigenheiten den meisten unter Euch durchaus geläufig sein dürften, bedarf es hier einer Einführung in die Welt der Geschichte. Dabei gerät man als Autor allzu leicht in Versuchung, potentielle Leserinnen und Leser mit einer wahren Informationsflut zu erschlagen. Welche Wesen bevölkern die Welt, welche geschichtlichen Hintergründe führen zum Beginn der Handlung, gibt es Magie – wenn ja, wie wird sie genutzt? Fragen, wie diese, stellt sich wohl jeder, der eine solche Geschichte schreiben möchte. Doch ist es auch ratsam, sie gleich zu Beginn des Buches für die Leserin oder den Leser zu beantworten?
In meinen ersten Entwürfen zu „Der Weiße Schatten“ hätte ich diese Frage mit „Ja“ beantwortet. Schließlich wollte ich Euch nicht ins kalte Wasser werfen. So entwarf ich einen seitenlangen Prolog, der die Vorgeschichte in knappen Abrissen skizzieren sollte, sodass Ihr sofort versteht, was auf dem Spiel steht. Freilich verwarf ich diesen Prolog. Stattdessen spickte ich das erste Kapitel mit einer Flut von Informationen. Im Wirtshaus „Zum Lachenden Fuchs“ ließ ich Lurano einen langatmigen Monolog halten, in dem er vom Krieg zwischen Erbarior und Lau-Onn, einem Friedensfest, dem Angriff der Mursogi auf Vanrania und Erbarior, sowie den Schlüsseln erzählte, ehe er überhaupt auf Rexians Entführung zu sprechen kam.
Warum habe ich all das gestrichen? Nun, so interessant diese Informationen auch gewesen sein mögen, waren sie zu diesem Zeitpunkt der Handlung noch nicht wirklich von Bedeutung. Das führte gleichzeitig dazu, dass sich die Handlung zunächst auf Rexians Entführung konzentrieren konnte und Naron keinerlei Gedanken an die Schlüssel und den Herrn der Finsternis verschwenden musste. Freilich erfuhr er vom Weisen Erpantius schlussendlich, was er erfahren musste. Erneut schrieb ich einen gewaltigen Monolog, indem Erpantius Naron und Rexian die Geschichte der Schlüssel erzählte.
Im Zuge der Überarbeitung wurde mir einmal mehr bewusst, wie wenig ansprechend ein derartiger Monolog für die Leserin oder den Leser sein könnte, weshalb ich mich auf die Suche nach einem Weg machte, die notwendigen Informationen ein wenig interessanter darzustellen. Dabei besann ich mich schließlich auf das „Show, don’t tell“-Prinzip, das ich irgendwo aufgeschnappt hatte – also „Zeigen, nicht erzählen.“
Was bedeutete das nun konkret für Erpantius‘ Monolog? Nun, der Weise nahm den Satz „Zeigen, nicht erzählen.“ wortwörtlich und ließ Naron und Rexian die Geschichte der Schlüssel mit eigenen Augen in der Gestalt von Visionen miterleben, statt sie nachzuerzählen. Diese Fähigkeit des Weisen ersparte mir nicht nur einen langen Monolog, sondern gab mir zugleich die Möglichkeit lang vergangene Ereignisse lebendig werden zu lassen und damit Euch, werte Leserin, werter Leser, auf eine hoffentlich ansprechendere Art und Weise das nötige Hintergrundwissen zu vermitteln.