Einblicke #6: Blutschattenkult

Die Handlung der früheren Versionen meiner Bücher war weitaus geradliniger und weniger komplex, als sie es dann in meinen veröffentlichten Werken sein würde. Ein gutes Beispiel dafür sind die Verwicklungen um Erbarior, die einen Teil des ersten und den Großteil des zweiten Bandes in Anspruch nehmen. So war ursprünglich Omrunas – mit ein wenig Unterstützung seines Vollstreckers Horonchor – als alleiniger Antagonisten für beide Bücher geplant. Er ließ Rexian des Schlüssels wegen entführen und strebte zugleich nach der Herrschaft in Erbarior, die er schlussendlich niemand anderem als Bormias als seinem Statthalter anvertrauen wollte.

Im Laufe der zahlreichen Überarbeitungen erschienen mir Omrunas’ Bestrebungen Erbarior betreffend jedoch mehr und mehr fehl am Platz zu sein. Denn was hat ein Mann, der nichts als die Befreiung des Herrn der Finsternis zum Ziel hat, davon, ein Reich zu unterwerfen? Wäre ihm die Herrschaft auf seinem Weg nicht viel mehr zur lästigen Bürde geworden? So entstand die Idee des Blutschattenkultes, einer Sekte, die seit Jahrhunderten im Geheimen gegen den König von Erbarior vorging. Das machte Rexians Entführung und die daraus entstehenden Intrigen irgendwie spannender und persönlicher.

Belauschte Naron im ersten Entwurf noch ein Gespräch zwischen Omrunas und Bormias im Keller des Königspalastes, ersetzte ich ersteren später durch Virisare, die Hohepriesterin besagten Blutschattenkultes, die auch noch eine verwandtschaftliche Beziehung zu Rexian aufwies. Sie war es nun, die – aus gutem Grund und nicht ohne Rechtfertigung – auf Rexians Tod und die Herrschaft über Erbarior hinarbeitete. Dadurch hatte ich neben Omrunas einen zweiten Antagonisten für die ersten beiden Bücher geschaffen, was die Geschichte ein wenig tiefgründiger machte. Neben dem offensichtlichen Bösen in der Gestalt der Mursogi mussten Naron und Rexian nun nämlich auch gegen Verräter aus den eigenen Reihen kämpfen, die nicht so leicht zu erkennen waren.

Nun waren Omrunas und der Blutschattenkult zwar Verbündete, doch – wie es bei solchen Zweckbündnissen allzu oft der Fall ist – stand ihre Zusammenarbeit auf äußerst wackeligen Beinen. Sie intrigierten nämlich nicht allein gegen Rexian und Erbarior, sondern auch gegeneinander. Allem voran Rexians Entführung im ersten Teil der Reihe ergab unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes wesentlich mehr Sinn. Denn was hätte Omrunas davon, einen König als Gefangenen zu halten, wenn nicht, um ihn als Druckmittel gegen seine eigenen Verbündeten einzusetzen?

Ohne Zweifel machte die Einführung des Blutschattenkultes die Handlung meiner Bücher wesentlich interessanter. Darüber hinaus bot er mir zahlreiche Möglichkeiten, der Hintergrundgeschichte meiner Welt größere Tiefe zu verleihen. Nicht umsonst kommt der Kult aus den finsteren Wäldern Theladiens auch in einigen meiner „Sagen aus Sarucho“ vor.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert